Alp Altenalp-Lötzelälpli - Sonntagmorgen um 05:10 beim Parkplatz Wasserauen |
Meine Familie hat mir mitgeteilt, dass sie an diesem Sonntag ausschlafen möchte. Das kommt mir gerade gelegen, denn ein wunderschöner Tag steht an. Damit ich zum Zmorge wieder retour bin, starte ich bereits um 05:10 beim Parkplatz Wasserauen Richtung Altenalp. Es ist stockdunkel, beim Aussteigen hänge ich das Alphorn um und möchte meine Wanderstöcke einschlaufen. Das geht leider nicht da sie das letzte Mal meine Tochter Leonie brauchte und die Schlaufen immer noch enger gestellt sind. Das ist so eine Sache mit dem Verstellen, manchmal geht es ganz gut, handkehrum aber mehr schlecht als recht. Ausgerechnet heute will es wieder einmal nicht so wie ich mir das vorstelle. Ich muss deshalb den Fixiernagel etwas herausziehen und hoffe, dass der kleine Keil nicht in die dunkle Nacht hinaus fällt. Das kennt sicher jeder, man hat eine Vorahnung und tut alles dass genau dies nicht eintrifft, kann es aber mit allen Mitteln nicht verhindern. Jedenfalls spickt der schwarze Keil in hohem Bogen direkt hinüber ins Gras. Ein paar Minuten suche ich, dann wird es mir zu blöd denn es geht auch so und daheim ersetze ich ihn durch ein Hartholzstück das ich mir selber zurecht schnitze.
In dieser klaren Nacht erscheint der Mond am Himmel als ganz schmale Sichel. Mit der Stirnlampe mache ich mich auf den Weg Richtung Seealp. Dort vorbei hoffe ich den Abzweiger Richtung Altenalp nicht zu verpassen, denn dieser Weg ist mir bis jetzt nicht bekannt. Ab da führt ein sehr steiler und schmaler Pfad durch den Wald, bis zum Ziel zähle ich rund 29 Spitzkehren. Es gibt einige gefährliche Stellen, zum Glück ist der Weg zusätzlich mit Hilfstritten und Seilsicherungen versehen. Etwas in der Anhöhe gucke ich runter zum Seealpsee und entdecke zwei Personen mit Stirnlampen. Sie sind ebenfalls in meiner Richtung unterwegs, gehen dann aber weiter geradeaus Richtung Messmer. Als ich aus dem Wald komme, treffe ich auf ein mit Wasser gefülltes Metallfass und noch etwas weiter eine Stapfete ohne Hag. Die Alpsaison ist schon wieder vorbei, die Tiere im Tal und die Bergwelt wieder der Wildnis überlassen. Wo ist denn auch die Alphütte? Ich kann sie nirgends sehen, im Dunkeln sehe ich nur knapp den schmalen Pfad. Dann plötzlich entdecke ich schwach die Umrisse der Gebäude, davor steht eine Person ebenfalls mit Stirnlampe und irgendwo bellt ein Hund. Ich denke für Ferien ist es auch im Herbst und vor allem bei solchem Wetter ganz schön hier oben. Als ich zur Hütte komme, sehe ich eine Frau vor dem Brunnen stehen. Ich begrüsse sie und sie erwidert mit hochdeutschem Akzent und rollendem R: „Ebefalls e guete Morge“. Hab ich‘s doch gewusst, eine Touristin. Deshalb frage ich sie, ob sie denn hier in den Ferien sei, sie lacht und Antwortet:“Nai, mei Maa und i bewirtschafte diese Alm.“ Ups, das ist mir aber sehr peinlich. Sie nimmt es mir zum Glück nicht übel und es entwickelt sich ein sehr interessantes Gespräch. Gerlinde meint, dass wir es hier im Appenzellerland sehr schön haben und viele Innerrhoder dies viel zu wenig schätzten. Diese müssten unbedingt eine Zeit lang nach Stuttgart wo sie herkomme, dann würden sie es mit anderen Augen sehen. Wir finden heraus, dass wir eine Gemeinsamkeit haben. Sie hat sich in den Kopf gesetzt alle Wanderwege in Innerrhoden abzuspulen, genauso wie ich es mit den Alpen praktiziere.
Beim Bildstöckli spiele ich dann mit dem Alphorn einmal in die Weite nach Süden und dann entgegengesetzt Richtung Felswand. Gegen Süden kann ich nur ein ganz schwaches Echo ausmachen, der Versuch Richtung Norden hat mir dann besser gefallen und scheinbar auch dem Älpler Bruno, denn er sagt als ich zurückkomme: „Danke, da isch jetzt ganz schö gseh.“ Anschliessend lädt mich Bruno in ihre Hütte ein und meint: „Magsch siche au no en Kafi, e chli Brot ond Chäs, ode?“ Ich antworte ihm: „Jo gehn, abe gad chotz en Kafi, wöll i ha de Famili vesproche en Zopf zom Zmoge mitbringe.“ In der warmen Stube geniesse ich den feinen Kafi und nebenbei diskutieren wir über die Gefahren beim Rollerfahren. Wir sind uns schnell einig, eigentlich ist es besser wenn unsere Kinder bis 18 warten und dann direkt ein Auto haben. Das Rollerfahren ist vor allem im Winter zu gefährlich.
Ups, jetzt „sorred“ mein Telefon in der Jackentasche, Ursula schreibt: „Me watid uf de Zopf“ Jetzt ist doch erst 07:40 und sie ist schon wach? - So en Seich! Ich verabschiede mich und mache mich sofort auf den Weg. Ich versuche so gut es geht den Weg abzukürzen und springe mindestens die halbe Strecke. Total ausser Atem treffe ich nach nur 65 Minuten wieder in Wasserauen ein. Zu Hause dauert es dann noch eine ganze Weile bis sich mein Puls wieder normalisiert und der Schweiss nicht mehr runter läuft. Dafür reicht es noch für eine kühle Dusche bevor wir den Sonntagsbrunch zusammen mit unserem Gast Jonas geniessen können. Heute gibt es sogar Speck mit Rührei und Birchermüesli mit vielen Früchten. Was ein zukünftiger Schwiegersohn so alles bewirken kann