Alp Nr. 20 : Alp Kronberg
09.08.2020 09:00 ( 986 x gelesen )
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04:15 Tagwache, Sonnenaufgangsblasen auf dem Kronberg
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30 Personen geniessen den fantastischen Sonnenaufgang auf dem Gipfel
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Spiele von 06:00 bis 06:45, leider kein Echo
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Prachts Panorama vom Bodensee über den Säntis bis zum entfernten Tödi
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Kurzes Frühstück im Restaurant
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Der Senn fährt mit der Milch zur Kronbergbahn
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Der Bläss verteidigt sein Revier lautstark, zwischendurch kann ich ihn streicheln
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Niemand ist da, ich lege das Schild mit Beschreibung vor den Eingang
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Martin Signer offeriert mir freundlich ein Flauder
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100 Tiere, davon 20 Milchkühe von welchen nur 7 gemolken werden, dazu 12 Geissen
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Alp Studen und Augstberg hat er ebenfalls in Pacht
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480 Hirsche in dieser Region fressen viel Gras, Termin mit Wildhüter
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Mit dem Wolf wird alles besser, dieser vertreibt die Hirsche
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Skilift wurde kurz nach Beschluss bei Nacht und Nebelaktion abgebrochen
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Chläus der Alphornspieler in Wasserauen ist sein Bruder, der Tubist Hansueli sein Sohn
Heute darf ich erneut auf dem Kronberg Sonnenaufgangsblasen. Ich stehe um 04:15 auf und bekleide mich mit Tracht, um 05:30 werde ich mit der Dienstfahrt vom Jakobsbad zum Kronberg geführt. Heute ist es sehr angenehm auf dem Gipfel, am 1. August ging eine kalte Biese. Ich blase von 06:00 bis 06:45, auf dem Gipfel sind rund 30 Personen die zusammen mit mir die ersten Sonnenstrahlen begrüssen. Alle mit kleinem oder grossem Fotoapparat ausgerüstet. Eine Frau mitte fünfzig zeigt mir regelmässig ihre schönen Bilder und fragt mich dann nach einer Visitenkarte, damit sie mir die Bilder zusenden kann. Ich bin gespannt ob ich etwas erhalte, die Bilder waren wirklich gut. Leider ist die Säntiswand zu weit weg um ein Echo herauszufordern. Dafür wird man mit einem wunderschönen Panorama, vom Bodensee über den Säntis bis zum entfernten Tödi, belohnt.
Nach einem kurzen Frühstück im Restaurant mache ich mich auf den Weg zur Alp Kronberg, die etwas östlicher liegt. Der Senn fährt mit seinem Bucher zurück zur Alp, er brachte die frisch gemolkene Milch zur Bahn. Ich laufe ihm hinter her. Als ich zur Alp komme, blase ich zuerst ein Alphornstück hinter dem Gaden, leider gibt es auch hier kein Echo. Danach suche ich den Sennen auf, ein wild bellender Bläss hält mich vor der Hütte in Schach. Die Tür ist offen, ich rufe „hallo?“, niemand da. Einen Moment warte ich, während der Bläss immer noch bellt. Dann richte ich mein Alphorn Schild und möchte es dem Senn vor die Türe legen, der Bläss gibt aber nicht nach. Deshalb gehe ich in die Knie auf Augenhöhe und schaue ihn liebevoll an und siehe da, er stellt nach kurzem das Bellen ein und schiebt sich seinen Kopf unter meine Hand. Ich streichle ihn und rede ihm gut zu. Als ich aufstehe beginnt er erneut mit bellen – so schlimm kann das auch nicht sein. Ich gehe trotzdem bis zur Tür und lege mein Schild mit Beschreibung auf die Schwelle. Weiter würde ich mich nicht trauen, das Bellen wird immer intensiver. Ich möchte mich gerade auf den Heimweg machen, da kommt der Senn doch noch vorbei. „Ha uf de Wäd gad no schnöll nebis möse erledige“ meint er.
Ich erkläre ihm mein Projekt, daraufhin meint er: „Denn isch da Schöld im Chollöchli au vo de. Ha mi scho meh gfroged, vo wem das da ischt. Magsch nebis trinke, e Glas Moscht, e Bier ode e Wasse?“ Bei einem Glas Flauder reden wir am Gartentisch weiter. Er bewirtschaftet zusammen mit seinem Sohn 3 Alpen, Studen und Augstberg hat er auch in Pacht. Total sind 80 Galtlige und 20 Milchkühe, wovon nur 7 Gemolken werden müssen. Die anderen sind momentan „stillgelegt“ und kalbern erst, wenn sie wieder auf dem Talbetrieb sind. Dazu kommen noch 12 Geissen und eben der Bläss, „de seb wö di nüd id Hötte ini loh.“ – das hatte ich bemerkt. Er sei ein guter Polizist, beisse aber nicht. Das Problem auf der Alp sei momentan die grosse Hirschpopulation. Der Wildhüter habe ihn informiert, dass nicht weniger als 480 Hirsche hier in der Wildschutzzone leben. Diese äsen natürlich nur das beste Gras und für die Kühe bleiben dann nur noch die Borsten stehen. Zudem sei das Gras hier oben grundsätzlich schon eher mager, das ist auch der Grund, dass sie keine grosse Milchwirtschaft betreiben können. Mit den Hirschen sei es aber mittlerweile sehr prekär und die Jäger erlegen auch zu wenig Tiere. Wenn einer aus versehen eine säugende Hirschkuh erlege, dann werde er gebüsst, das hält die Jäger zurück. Nächste Woche komme er mit dem Wildhüter zusammen um die Problematik zu besprechen. Er sei vermutlich einer der wenigen Bauern, die Freude am Wolf haben. Denn dieser werde die Hirsche wieder vertreiben, so wie sie vom Bündnerland gekommen seien.
Er möchte dann noch etwas genauer wissen, wer ich bin. Es stellt sich heraus, dass er meinen Vater sowie Schwiegervater gut kennt und früher bei meinem Musikkollegen Alois Koch gearbeitet hatte. Er heisst Martin Signer und ist der Vater vom Tubist Hansueli den ich ebenfalls gut kenne. Hansueli ist der Freund von Rahel Manser vom Scheibenlehn und so schliesst sich der Kreis wieder. Martin hat einen Bruder der auch Alphorn spielt, den kenne ich natürlich auch, Chläus von Wasserauen. Wir spielten beide im Alphorntrio Fässler die erste Stimme, hatten uns aber nie näher kennengelernt, schon etwas speziell.
Mich wundert es, wie lange der Skilift schon nicht mehr steht. Martin meint, dass er kurz nach dem Beschluss über den Abbruch bei einer Nacht und Nebelaktion abgebrochen wurde. Ich bin nicht ganz sicher, ob Martin sich darüber freut oder den Verlust eher bedauert. Ich jedenfalls vermisse den Lift schon, neben dem Sollegg war es für mich die schönste Piste in der Region.
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