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DEFAULT : Alp Oberes Sönderli
23.07.2013 19:45 ( 4913 x gelesen )


- Ein alter Verbindungsweg? Heute nur noch als Wildwechsel
- Das Heu reicht bis zur Hüfte
- Die Alp ist verlassen, keine Tiere, kein Senn, ein alter Jeep
- Ein wunderschöner knorzliger Ahornbaum, wie alt er wohl ist?
- Der Mistkran steht hinter dem Stall
- Die Wiesen sind überall getummt
- Ein Echo gibt es hier nur schwach Richtung Wasserschaffen
- Auf dem Stalldach steht ein kleines Kreuz
- Die Hütte ist sehr schön renoviert
- Der kleine Stall ist sehr alt, es steht BM auf dem Türrahmen
- Das Dach fing Feuer, was ist passiert?
- Hat dort vielleicht „de Böhlere“ auch schon übernachtet?
- Eine fette Hirschkuh in der hohen Heuwiese
- Plötzlich fegt ein unheimlicher Wind durch den Wald
- Das Auto erreiche ich gerade noch vor dem Sommergewitter

 


Heute kann ich etwas früher Feierabend machen, mit kleiner Zwischenverpflegung und einer Flasche Wasser im Alphornsack, starte ich beim Parkplatz Sollegg. Auf meiner Karte habe ich einen alten Weg gefunden der heute nicht mehr eingetragen ist. Wenn man vor Wasserschaffen Richtung Lehmen abbiegt, führt nach wenigen Metern ein Weg nach rechts zu einem kleinen Stall. Dort endet er leider und ich halte mich so gut es geht an die Karte. Im Wald folge ich einer Spur die sich dann als Wildwechsel entpuppt. Es gibt dort so viele grosse, frische Hufspuren, dass man meinen könnte, es würden täglich 10 Kühe durchlaufen. Ich vermute, in diesem entlegenen Waldstück haust ein ganzes Hirschrudel. Kurz vor dem Sönderlibach verzettelt sich die Spur und mein Weg wird für ein kurzes Stück fast unbezwingbar – suchen würde mich hier sicher niemand. Dann quere ich den Bach, klettere die Böschung auf der anderen Seite empor und treffe bald auf den Weg welchen ich vor kurzem zum Pfarrers Nord gefolgt bin, jetzt bin ich wieder etwas erleichtert.
 
Hinter dem Wald treffe ich auf eine Weide, das Heu ist so hoch, dass es mir sogar bis zur Hüfte reicht. Ich meine, dass zu dieser Zeit alle Wiesen gemäht sein müssten, scheinbar gibt es auch Ausnahmen. Ein befahrbarer Kiesweg führt den letzten Stich hinauf Richtung Oberes Sönderli. Die Alp ist leider verlassen, die Wiesen wurden vor kurzem gedüngt, weit und breit kein Vieh und auch kein Senn. Ein alter verrosteter Jeep ohne Nummernschild steht etwas oberhalb der Hütte und lässt vermuten, dass man hier doch nicht ganz ab der Welt ist.
 
Oberhalb der Hütte steht ein riesiger Ahornbaum auf einer Nagelfluhrippe. Der untere knorzlige Teil des Stammes ragt schräg hinaus, ist aber sehr, sehr dick. Man könnte meinen, dass sich die Wurzeln im Stein festkrallen um das riesige Gewicht zu tragen. Im Internet habe ich gelesen, dass solche Bäume bis 500 Jahre alt werden können, ich vermute, dass dieser mindestens so alt sein wird. An diesem speziellen Platz blase ich eine schöne Alphornmelodie, mehr als ein Motorengeräusch das von irgendwoher dröhnt kann ich aber nicht ausmachen, also kein Echo. Ich versuche noch an drei weiteren Stellen zu spielen, einzig Richtung Wasserschaffen kann ich ein schwaches Echo hören.   
 
Hinter dem Stall steht ein MF Traktor mit angehängtem Mistkran. Der Geschmack lässt mich erahnen, dass erst vor kurzem hier noch ein grosser Misthaufen gestanden haben muss. Jetzt ist alles fein säuberlich auf der Weide verteilt, „tummen“ sagt man in Mundart. Zuvorderst auf dem Stalldachgibel steht ein kleines geschmiedetes Kreuz, das empfinde ich eigentlich eher als untypisch. Mir würde dies auf einem passenden Stein besser gefallen, der Stall ist doch keine Kapelle? Die Hütte wurde erst vor kurzem schön renoviert, das Holz der Schindeln schimmert noch goldgelb. Der kleine Stall mit den Strickwänden, auf der anderen Seite der Hütte, ist in die Jahre gekommen und in schlechtem Zustand. Im Türrahmen sind die Initialen „BM“ eingeschnitzt, vermutlich der Zimmermann von anno dazumal, lebte er vor 100, oder sogar 200 Jahren?. Das Dach ist mit Holzschindeln eingedeckt und in der Untersicht kann man deutlich alte Brandspuren entdecken. Was ist hier passiert? Ein Blitz, Erstaugustraketen, ein Grillfeuer, oder etwa Brandstifter? Scheinbar wurde das Feuer früh entdeckt und Schlimmeres konnte vermieden werden.  
Früher war der „Böhlere Bueb“ gerne in dieser Region, eigentlich eine traurige Figur. Ein bärenstarker Mann mit wilder Frisur – als kleiner Bub hatte er blonde Locken – später war er mittellos und ohne Zuhause. Die meisten Leute fürchteten ihn und mieden jede Begegnung. Weil er ab und zu wilderte, hatte ihn der Wildhüter Haas auch im Visier. Eines schönen Tages war der Böhlere wieder einmal auf Tour mit seinem Gewehr, in der Region Chollöchli hoffte er unentdeckt zu bleiben. Der Wildhüter passte ihm aber auf der anderen Seite des Tobels ab und sah mit dem Feldstecher wie er einen Hirsch erlegte. Sofort machte er sich auf den Weg um den Übeltäter zu stellen, dieser war aber 10 Minuten später samt dem Hirsch an der Tatstelle wie vom Erdboden verschwunden, weit und breit kein Böhlere mehr. Der Wildhüter konnte es kaum fassen, das ist doch schier unmöglich mit einem solch schweren Tier im Gepäck. Erst viel später erfuhr er dann, dass der Böhlere mit samt dem grossen Tier auf der Schulter bis zu Oberst auf einen Baum geklettert ist und ihn von oben mit einem Grinsen im Gesicht beobachten konnte.
 
Am Himmel zieht ein Gewitter auf, rund um den Säntis blitzt und donnert es bereits heftig. Das wird mir nun doch etwas ungemütlich, deshalb packe ich meine Sachen und begebe mich auf den Heimweg. Unten in der Heuwiese entdecke ich eine kapitale Hirschkuh, sie lässt sich beim Äsen überhaupt nicht stören. Ich gehe Richtung Pfarrers Nord, dort kenne ich den Weg der bei der grossen Buche in den Wald abbiegt. Mitten im Wald fegt plötzlich ein heftiger Windstoss durch die Baumkronen, ein unheimliches Gefühl fährt mir durch Mark und Bein. Ich beginne schneller zu laufen, so ein richtiges Gewitter hätte gerade noch gefehlt. Gerade rechtzeitig erreiche ich dann mein Auto, steige ein und dann beginnt es heftig zu regnen.  


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