Heute ist ein richtiger faulenzer Sonntag. Der Himmel bedeckt, der Rest der Familie möchte wieder einmal ausschlafen und Leonie, mein Morgengspähnli, ist am Skiweekend der Ministranten. Eigentlich hatte ich den Wecker auf 05:55 gestellt, habe mich dann aber nochmals gedreht und stand erst um 07:30 auf. Am Sonntag richte ich normaler Weise immer den Zmorgen und hole einen feinen Zopf in der Bäckerei. Ein solcher liegt aber aber bereits auf der Küchenkombination, super, Ursula war gestern an der Abendunterhaltung des Turnvereins Hundwil und hatte scheinbar Glück bei den Losen. Als dann um 10:00 immer noch niemand am Zmorgetisch sitzt, esse ich alleine und mache mich parat für den Ausflug zur Tonisweid.
Die Tonisweid habe ich am Abend auf der Wanderkarte vergebens gesucht. Auch auf meiner grossen Alpenkarte ist sie abgeschnitten, ich habe mir deshalb Google Earth zu Hilfe genommen. Dort konnte ich sie per Mausklick finden und mir einen genauen Eindruck der Topografie verschaffen. Der Weg führt in Eggerstanden beim Holzbau Ulmann vorbei, danach allgemeine Richtung Schwamm. Auf dem Kiesplatz bei der Waldstrasse steht bereits das Auto des Besitzers, ich parkiere meines daneben. Ich gehe auf die Hütte zu, sie macht einen verlassenen Eindruck, einzig ein Paar Gummistiefel stehen beim Eingang.
Direkt vor der Hütte möchte ich nicht spielen, vielleicht ist da doch jemand und schläft noch? Ich gehe deshalb weiter nach Norden, dort steht eine junge Eiche und die Aussicht ins Rheintal einfach prachtvoll. Das Alphorn tönt hier gar nicht schlecht, die Töne werden vom Wald schön getragen. Plötzlich höre ich ein lautes Knacksen aus dem Wald und danach dauert es nicht lange bis Lydia und Fritz Enzler mir entgegen laufen. Als erstes begrüsst mich sein junger Jagdhund, ein sehr elegantes Tier.
Fritz ist ein richtiger Naturmensch und versierter Zimmermann. Er erklärt mir sein neustes Projekt mit der Alpenwiese. Mit einem grossen Bagger hatte er im letzten Jahr die gesamte Weide renaturiert. Von den ursprünglich vielen Kuhwegen ist heute nichts mehr zu sehen, es gab hinter der Hütte sogar einen Erdrutsch wegen des nassen Bodens. Nun hat er aber kleine Gräben (eher Rillen) angelegt, die das Wasser ganz gezielt sammeln und nach unten in einen kleinen Weiher führen. Quer dazu verläuft ein Wiesenweg, so dass im Sommer das Wildheu bequem eingeführt werden kann. Das wichtigste waren natürlich die Blumensamen. Verschiedene Fachstellen hatte er dazu angefragt, was, wie, wo und wann am besten wäre. Eine konkrete Antwort hatte er nie bekommen und musste am Schluss selber entscheiden was für ihn das Beste sei. Nun sind Samen im Wert von Fr. 3000.- gesät und Lydia und Fritz sind ganz gespannt was nun im Frühling zum Vorschein kommt. Für beide ist klar, dass keine Tiere mehr auf die Weide kommen. Überall wo Tier weiden, stirbt die Blumenvielfalt, Spitzblacken wachsen und der Boden wird verdichtet.
Danach zeigt mir Fritz die wunderschönen Gebäude die er selber gezeichnet und gezimmert hat. Die Sandsteinmauern sind nach seinem Empfinden viel zu schön, die Kanten müssten runder sein. Beim Schindelunterdach hatte er eine alte Technik angewandt. Um Holz zu sparen hatte man früher die erste Schicht Schindeln schräg und mit Abstand zueinander vernagelt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass diese Technik zur zusätzlichen Stabilisierung angewandt wurde, sozusagen ein Windverband. Beim kleinen Holzunterstand oberhalb der Hütte kommt der Fachmann definitiv zum Ausdruck. Eine kleine Werkstatt mit einfachen aber genialen Hilfsmittel. So könnte eine urtümliche Alphornmacherei ausgesehen haben.
Lydia hatte in der Zwischenzeit eingefeuert und Kafi gekocht. Sie lädt uns ein in die warme Stube und serviert einen feinen Kafi Lutz. Wir reden über Gott und die Welt. Ich möchte von Fritz noch wissen, ob es auch einen Zeitpunkt in Bezug auf die Wildtiere gibt, an dem man nicht Alphorn spielen sollte. Er lacht und meint: „Ab Mitte Septembe do liebe nomme me.“ Er ist ein geübter Jäger und seine Tochter Corina die erste Jägerin in Appenzell. Somit würde ich ihnen die Tiere vertreiben. Ich erzähle ihm auch von meinen Erfahrungen mit dem Alphorn, es hat auch Tiere gegeben die ganz neugierig aus dem Wald gekommen sind um zu hören was hier abgeht. Fritz meint dann aber konkreter, dass man das Wild nicht in die Enge treiben soll. Alles was nicht alltäglich ist kann es erschrecken, das Alphornspiel neben Gebäuden oder auf dem offenen Feld ist kein Problem, in einem dichten Wald hingegen schon eher. Ihn stören aber mehr die Touristen welche den Alpstein überbevölkern, überall die neuen gut begehbaren Wanderwege und dazu kommen seit 20 Jahren auch noch die Gleitschirme und Biker. Für unser Wild braucht es unbedingt klare Schutzzonen.
Hinten auf dem Bett liegt eine alte Zither, gerne möchte ich wissen wer diese spielt. Lydia spielt das Instrument schon länger und Fritz seit drei Jahren. Dieses gehört aber Fritz, deshalb möchte Lydia nicht darauf spielen und Fritz geniert sich ein bisschen, schade, hätte doch so gut gepasst. Diskutieren könnten wir noch stundenlang, ich muss aber meine Tochter Leonie auf dem Brauereiplatz abholen und muss wieder auf den Heimweg. Ich komme gerne wieder einmal vorbei wenn die Blumen blühen.